11.11.2021

Hybride Führung – Bleibt das so?

Axel Singler
Geschäftsführer Haufe Talent

Die hybride Arbeitswelt ist gekommen, um zu bleiben – wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen. Da sind sich wohl die meisten einig. Wenn ein Teil der Teammitglieder virtuell arbeitet, der andereTeil im Unternehmen sitzt, stellt dies Führungskräfte vor neue Herausforderungen. Wie funktioniert hybride Führung, wenn jede:r zu anderen Zeiten vor Ort ist, manche vielleicht gar nie erscheinen und dauerhaft remote arbeiten? Auch wenn sich die einzelnen Teammitglieder nur unregelmäßig oder gar nicht persönlich treffen, ist es Aufgabe einer hybriden Führungskraft, die Verbundenheit im Team aufrecht zu erhalten oder aufzubauen.

[#anchor1] Was ist hybride Führung – eine Definition [#anchor1]

Der Begriff „hybrid“ ist ja nicht neu. Wir kennen hybrid aus der Biologie und natürlich aus der Automobilbranche, wodurch eine ganze Industrie revolutioniert wurde. Noch relativ jung ist der Begriff inZusammenhang mit Führung. Was genau verstehen wir darunter? Hybride Führung verbindet Mitarbeiter:innen, die zum einen in physischen (analogen) und zum anderen in virtuellen (digitalen) Räumen zusammenarbeiten. Hier liegt ein großer Teil der Führung darin, die „unsichtbaren“ Mitarbeiter:innen bestmöglich zu integrieren.Wenn das Büro nicht mehr wie bei reinen Präsenzteams der tägliche Ort der Begegnung, der Zusammenarbeit und des Austausches ist, braucht es eine gewisse Kompensation der persönlichen Kontakte. Hier fängt hybride Führung an.

[#anchor2] Hybride Führungskraft: Ein neues Berufsbild? [#anchor2]

Hybrides Arbeiten verlangt nach neuen Führungsqualitäten. In unserem heutigen Führungsverständnis wird Führung als Dienstleistung (servant leadership) verstanden. Dabei respektiert die Führungskraft die Interessen und Bedürfnisse der Teammitglieder und gibt lediglich einen Rahmen bzw. Leitplanken vor innerhalb derer sich das Team selbstständig bewegt. In hybriden Arbeitsstrukturen werden die Grenzen zwischen Privatem und Beruflichem durchlässiger, was für die eine Führungskraft eher Vorteile, für die andere eher Nachteile hat. Durch die teilweise Arbeit von zu Hause aus gewährt man manchmal unfreiwillig Einblicke ins Privatleben (z.B. ein Kleinkind, das nicht in die Kita konnte, krabbelt während des Teammeetings durchs Bild). Dies macht einerseits nahbarer, authentischer, menschlicher – zeigt es doch den Menschen von einer anderen Seite neben des Berufsalltags. Auf der anderen Seite birgt diese Entgrenzung von Arbeit und Freizeit für viele auch Motivationsprobleme oder sogar gesundheitliche Risiken. Hier hat eine hybride Führungskraft neben der Selbstfürsorge auch die Pflicht, durch das eigene Vorleben „Teamcare“ zu betreiben. Es ist unerlässlich, die Schwierigkeiten der hybriden Zusammenarbeit im Team zu thematisieren und gemeinsam mit dem Team Vereinbarungen für die hybride Zusammenarbeit zu treffen, z.B. zu welchen Zeiten alle erreichbar sein müssen und wann nicht. Eine hybride Führungskraft geht mit gutem Beispiel voran und hält sich selbst auch an die Zeiten der Nicht-Erreichbarkeit und Ruhe. Überhaupt: gewünschtes Verhalten lässt sich am besten vorleben!

Desweiteren sollte eine hybride Führungskraft permanent ihr Team auf verlässliche Kommunikation einschwören. Denn nur so ist gewährleistet, dass auch die virtuellen Kollegen:innen auf dem gleichen Informationsstand sind wie diejenigen, die vor Ort im Büro arbeiten. Im realen Raum sind aufkeimende Konflikte für eine Führungskraft einfacher und schneller zu erkennen als im virtuellen Umfeld. Er:sie kann z.B. erste Anzeichen erkennen, wenn sich zwei im Büro bewusst aus dem Weg gehen etc. Ein klärendes Gespräch beim Essen oder Kaffee kann direkt helfen, sich anbahnende Konflikte im Keim zu ersticken. Virtuell werden diese Schwelbrände oft erst spät erkannt. Deshalb sollte eine Führungskraft hier gute Antennen haben und frühzeitig entgegenwirken.

Hybride Führungskraft: Diese Fähigkeiten gilt es aufzubauen

- Fähigkeit zu Fokussieren und Priorisieren

- Technisches Mindset: Digitale Meetingformate am Puls der Zeit organisieren (Avatare sind längst auch in der beruflichen Welt angekommen)

- Gutes Gespür für Konfliktmanagement: Gruppendynamik wird im hybriden Kontext spürbarer, „die im Büro und die im Homeoffice“ …

- Gerechtigkeitssinn: Die Kollegen:innen vor Ort sind oft gefühlt näher als diejenigen im Homeoffice

- Wissenstransfer und Kommunikationsfluss: Wichtige Informationen, die kurz über den Schreibtisch gerufen wurden, müssen auch an die remote Arbeitenden transportiert werden

- Durch Verlässlichkeit wird Vertrauen aufgebaut

- Verankerung und Sicherheit vermitteln

[#anchor3] Hybrider Führungsstil: Ist das die Führung der Zukunft? [#anchor3]

Führung unterliegt seit jeher einem stetigen Wandel. Verschiedene Führungsstile wurden durch die Veränderung der Arbeitswelt (Globalisierung, Digitalisierung etc.) abgelöst oder weiterentwickelt, z.B. von der hierarchischen Führung hin zur kooperativen Führung. Der hybride Führungsstil zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass er auf die räumliche Verteilung der einzelnen Teammitarbeiter:innen eingehen muss. Auch wenn viele Unternehmen wieder verstärkt auf Büro-Präsenz setzen – soweit es die pandemische Lage zulässt, – werden hybride Bürostrukturen nicht mehr gänzlich verschwinden und somit in vielen Organisationen das New Normal bilden. Dafür benötigt es ein Neudenken von organisatorischen Abläufen, Rahmen und Regeln, angefangen mit der Frage wann, wo und wie was stattfindet. Es muss geregelt werden, welche Termine online möglich sind und wo Präsenz verlangt wird.

Tipp: Es hat sich bewährt, Teamworkshops, Konfliktgespräche, Feedback- und (jährliche) Mitarbeiter:innengespräche ab und an ganz gezielt in Präsenz anzuberaumen –gerade mit denjenigen, die meist im Homeoffice arbeiten. So können Führungskräfte und Mitarbeiter:innen bestmöglich „in touch“ bleiben.

Doch der hybride Führungsstil ist nicht nur Sache der jeweiligen Führungskraft. Das hybride Setting wirkt sich auch ganz wesentlich auf die Unternehmenskultur aus und gehört dringend auf die Agenda der Verantwortlichen für Personal- und Organisationsentwicklung. Es darf keine Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen remote und physisch Anwesenden entstehen. Denn aufgrund der geringeren Sichtbarkeit durch mobiles Arbeiten entstehen häufig, wenn auch ungewollt, Phänomene von Benachteiligung. Ein wirkungsvoller hybrider Führungsstil hilft zu vermeiden, dass diejenigen, die von zu Hause aus agieren, zu Nebenfiguren werden. Um eine hybride Arbeitskultur zu schaffen, müssen Führungskräfte häufiger und anders kommunizieren. In erster Linie geht es darum, bilaterale Räume zu schaffen, um zu erfahren, wie es den Mitarbeiter:innen gerade geht. Oberstes Ziel ist es, gegenseitig im Dialog zu bleiben, Wertschätzung und Zeit zu schenken und auch dadurch potenzielle Burnout-Gefährdungen nicht zu verpassen. Der hybride Führungsstil zeichnet sich dadurch aus, dass die Führungskraft aktiv Raum schafft für Verbindungen, inspirierende Momente, Interaktion und informellen Austausch. Diese Räume können sowohl virtuell initiiert werden oder auch in Präsenz. Wichtig ist nur, dass sie stattfinden.

[#anchor4] Führung hybrider Teams: Worauf es ankommt [#anchor4]

Der Schlüsselfaktor für exzellente Teamarbeit ist Vertrauen. Das gilt umso mehr für die Zusammenarbeit hybrider Teams. Vertrauen lässt sich bekanntermaßen nicht verordnen, bestimmte Rahmenbedingungen können aber Vertrauen entstehen lassen. Diesen Rahmen zu schaffen und aufrecht zu erhalten, ist oberste Aufgabe einer Führungskraft in hybriden Teams. Es gilt die vermeintlichen Nachteile hybrider Strukturen in Vorteile umzuwandeln und gewinnbringend zu nutzen. Z.B.sind hybride Meetings meistens anstrengender als „sortenreine“ Meetings, weil sich unser Gehirn gleichzeitig in zwei Realitäten bewegen muss. Trotzdem kann der Vorteil überwiegen, dass sich hybrid wenigstens alle sehen und austauschen können. Hier sind die Qualitäten von hybrider Führung gefragt.

Fazit: Für viele Unternehmen ist der Büroalltag mittlerweile hybrid – und wird es auch bleiben. Die Kombination aus Präsenz vor Ort und Homeoffice etabliert sich immer mehr zum Arbeitsmodell der Zukunft. Für alle Führungskräfte: Panik ist fehl am Platz, denn es braucht dafür kein zusätzliches Führungsdiplom. Zur entscheidenden Kernkompetenz einer hybriden Führungskraft gehört jedoch, dass sie einen Rahmen schaffen kann, in welchem die Teammitglieder gut zusammenarbeiten können und im Blick hat, dass niemand auf der Strecke bleibt, auch jene nicht, die man nur selten persönlich sieht. Die Flexibilität für die Mitarbeiter:innen, zu wählen von wo sie arbeiten wollen, wird auch immer mehr zu einem entscheidenden Erfolgskriterium für Organisationen werden.

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Axel Singler
Axel Singler ist Geschäftsführer von Haufe Talent. Singler transformierte den vorher demokratisch strukturierten Geschäftsbereich der Haufe Group in eine agile Netzwerkorganisation und setzt sich intensiv mit Talent Experience und Team Performance auseinander. Er ist überzeugt, dass Business- und HR-Verantwortliche sich zukünftig auf Teams als die wahren Leistungsträger von erfolgreichen Unternehmen fokussieren sollten. Er ist einer der führenden Experten zum Thema Agile Transformation. Seine langjährige HR-IT-Cloud-Erfahrung sowie sein umfassendes Know-how für New Work und Agilität bilden die Grundlage seiner Arbeit.