3.8.2022

Das OKR-Framework – eine einfache Methode, für agiles Arbeiten

Michael Späth
Intrapreneur

Auch wenn die OKR-Methode eine sehr einfache und leicht verständliche ist, so ist sie doch auch gewissermaßen ein „Paradigmenwechsel“. Sie fordert „andere“ Führung, ein neues Mindset und konsequentes Vorgehen. Kurzum: Bei OKR steht der Kunde im Mittelpunkt der Ziele und nicht die Organisation! Wir zeigen dir in diesem Beitrag, was die Methode ausmacht und wo potenzielle Stolperfallen lauern.

[#anchor1]Was bedeutet Objectives and Key Results (OKR) - Definition[#anchor1]

Das OKR-Framework ist eine agile Methode, mit der operative Ziele (Objectives) aus der mittel- bis langfristigen Unternehmensstrategie abgeleitet werden und durch Formulierung von Schlüsselergebnissen (Key Results) umgesetzt und nachgehalten werden. Ein OKR-Zyklus dauert i.d.R 3-4 Monate und die jeweiligen Objectives werden sowohl top-down als auch bottom-up festgelegt.

[#anchor2]Geschichte von OKR: Google, John Doerr und wie alles begann[#anchor2]

Schon in den 50er Jahren erfand Peter Drucker die Zielvereinbarungsmethode MbO (Management by Objectives). Diese Methode diente Andy Grove, dem späteren CEO von Intel, als Grundlage für die Entwicklung der OKR-Methode, die er bereits in den 70er Jahren einführte. Er befreite damit MbO von dem unzeitgemäßen Jahreshorizont und der ausschließlichen Frage nach dem WAS ich erreichen möchte – und ergänzte sie um das WIE. Und ganz wichtig: OKRs holen Ziele raus aus dem Silo und rauf auf die transparente Bühne!

Richtig bekannt und populär wurde das OKR-Framework jedoch erst durch John Doerr, der die Methode in seiner Funktion als Berater bei Google einführte. Viele schnell wachsende Start-ups (z.B. Spotify, Slack, Uber etc.) nutzen mittlerweile das Framework und sind damit erfolgreich! Es kann gut sein, dass OKR bald der neue Standard in Sachen strategische Zielsetzung und Mitarbeiterführung wird.

[#anchor3]OKR als agile Methode – Vorteile, Herausforderungen und Risiken[#anchor3]

Das OKR-Framework bietet viele Vorteile und kann – richtig angewendet – zu mehr Agilität, Fokussierung, Transparenz, Motivation und fruchtbare Kommunikation in deiner Organisation führen. Es birgt jedoch auch Herausforderungen und Risiken und ist somit nicht immer und überall die erste Methode der Wahl.

OKR-Vorteile: Wie das OKR-Modell als Zielsystem Unternehmen helfen kann

  • Als agiler, kontinuierlicher Prozess angelegt, stellt OKR organisationsübergreifende Zielformulierung und organisationales Lernen sicher und fördert diese. Durch den relativ kurzen Planungs- und Umsetzungszeitraum wird dein Unternehmen agiler, kann besser auf Änderungen reagieren und macht (Miss-) Erfolge schneller transparent.
  • Das OKR-Framework dient euch als gemeinsamer Rahmen zur organisationsweiten Formulierung von qualitativen Objectives und quantitativen Key Results mit denen zweifelsfrei gemessen werden kann, ob die Ziele erreicht wurden. Dies macht Erfolge wahrscheinlicher – und Kommunikation leichter!
  • Die OKR-Methode ist ein strategisches Instrument, welches gleichsam die Operationalisierung der Ziele in der Praxis vorantreibt. Somit verknüpft es die Vision des Unternehmens, die Zielfindung wie auch die Umsetzung auf allen Ebenen und kann zur wichtigsten „Klammer“ in deinem Unternehmen werden!
  • Das OKR-Framework kann team- und bereichsübergreifende Abhängigkeiten sichtbar machen und ein optimales Alignment der Teams ermöglichen.
  • OKR ist eine einfache, verständliche Methode und lässt sich mit Bordmitteln (Excel, Powerpoint, Confluence) oder auch einer speziellen OKR-Software implementieren.
  • OKR kann Teams stärken – denn die Methode fordert und fördert eine hohe Selbstorganisation und -motivation.

Nachteile bzw. Herausforderungen des OKR-Modells

  • Die Einführung und das permanente Aufrechterhalten und Weiterentwickeln der Methode gibt es nicht umsonst: gerade in der Anfangsphase müsst ihr mit zusätzlichem Zeitaufwand rechnen.
  • Schon wieder eine neue Methode? Viele Mitarbeiter:innen sind erstmal ablehnend und müssen überzeugt werden, sich auf das neue System einzulassen und mitzuziehen.
  • Das Framework erfordert die Investition in neue Kompetenzen im Unternehmen – so gilt es, OKR-Master und -Coaches für ihre Tätigkeiten freizustellen, auszubilden und zu befähigen.
  • Die Methode sollte nicht zur Leistungsbeurteilung und Vergütungsbemessung genutzt werden – und eignet sich NICHT auf der Ebene von individuellen Zielvereinbarungen.

OKR-Risiken

  • Wenn ihr es anfangs nicht schafft, allen im Unternehmen den Zusatzaufwand für die Methode schmackhaft zu machen, wird es schwierig, OKR „zu retten“. Es braucht viel Zeit und Raum für Kommunikation, Schulungen und Erklärung des „why“. Die Einführung von OKR ist ein Changeprozess und sollte auch so benannt und gemanaged werden.
  • Die erfolgreiche Umsetzung der Methode in der Praxis erfordert a) Konsequenz und Durchhaltevermögen und b) strukturierte zusätzliche Meetings (Zielformulierungs- und Alignment Workshops, regelmäßige „Check-ins“, Retros und Reviews). Damit hier nicht unnötig viel Zeit drauf geht, müssen diese stringent moderiert und fokussiert angegangen werden.
  • Es braucht einen langen Atem: In der Praxis hat sich gezeigt, dass es im Schnitt ca 1,5 Jahre dauert, bis die Methode als agiler Prozess vollständig im Unternehmen verankert ist!
  • Das OKR-Framework funktioniert nur top-down UND bottom-up. Will die Unternehmensleitung alle Objectives vorgeben, verkommt die Methode zu MbO im Tarnmantel.
  • Weitere Risiken: zu viele Ziele und dadurch keine Fokussierung, kein Leitbild, Missbrauch als Kontrollinstrument und mangelnde Disziplin.

[#anchor4]OKR-Anwendungsfelder im Unternehmen[#anchor4]

Unternehmen können die Methode im gesamten Unternehmen, in einzelnen Teams, nur für bestimmte Projekte oder in der Produktentwicklung anwenden. Die Nutzung des OKR-Frameworks bietet sich jedoch überall dort weniger an, wo an Routineaufgaben gearbeitet wird und klare Prozesse das Arbeitsumfeld bestimmen (Produktion, Buchhaltung, Telefonhotline, etc.). Die Methode bietet sich auch in bestimmen Unternehmensphasen an, z.B. während der Gründung oder einer Fusion.

[#anchor5]Das OKR-Framework[#anchor5]

Damit die Methode funktioniert, braucht es das Commitment des C-Levels. Wichtig ist eine grundlegende Infrastruktur, nämlich die Ausbildung von OKR-Master und -Coaches. Sie sind verantwortlich für den Kompetenz- und Prozessaufbau und die Gestaltung eines durchdachten, in den Köpfen und der Organisation verankerten OKR-Zyklus.

OKR-System aufbauen

  1. Zunächst ist es wichtig, die Vision/Mission konkret und für alle greifbar zu formulieren. Daraus wird die Unternehmensstrategie entwickelt (so sie nicht bereits feststehen). Dies ist das – in der Regel von der     Geschäftsleitung bereitgestellte - Fundament, auf dem OKR aufsetzt und erstreckt sich auf einen Zeithorizont von 5-10 Jahren.
  2. Organisationale (Jahres-)Ziele auf Unternehmensebene sind das Bindeglied zwischen den langfristigen Zielen/der Strategie und der operativen OKR-Planung. Sie dienen den Teams als Orientierung für das Aufsetzen ihrer OKR.
  3. OKR-Planning: sowohl auf Unternehmensebene als auch in allen betroffenen Teams werden OKR für die nächsten 3-4 Monate definiert.
  4. OKR-Alignment und Vernissage, wo die Entwürfe der OKRs eingesehen, mit angrenzenden Bereichen abgeglichen, kommentiert und ggf. adaptiert werden. 
  5. OKR-(Bi-)Weekly („Check-in“): Hier wird regelmäßig im Team auf den Fortschritt bei den Key Results geschaut und gemeinsam bewertet. Üblich sind 15-minütige Stand-ups.
  6. Der OKR-Review dient am Ende des OKR-Zyklus der gemeinsamen Besprechung aller OKRs. Waren die Ergebnisse unbefriedigend, sollten Maßnahmen abgeleitet werden, die sich im nächsten OKR-Zyklus wiederfinden oder in das OKR-Backlog wandern.
  7. Die OKR-Retro hingegen dient am Ende des OKR-Zyklus der gemeinsamen kritischen Reflexion des Prozesses und der Zusammenarbeit. Lessons learned werden identifiziert und fließen in die künftige Arbeitsweise und OKR Definition ein.
  8. Einstieg in den nächsten OKR-Zyklus

Jeder einzelne Schritt des Zyklus und jede weitere Iteration führt zu einem Plus an agilem Mindset der Mitarbeiter:innen und einer steigenden „Teamreife“.

OKR-Rollen

  1. OKR-Master/Champion

Der OKR-Master ist für den gesamten OKR-Prozess hauptverantwortlich – Er:sie setzt ihn auf, führt in ein und treibt ihn im Unternehmen. Er:sie hat die größte Expertise zum Thema OKR und berät das Management und die OKR-Coaches rund um die Methode und die Implikationen für das Business. Denn die Einführung und Nutzung von OKR ist ein organisationaler Veränderungsprozess bei dem alle Beteiligten eingebunden und mitgenommen werden müssen. Der OKR-Master ist also auch „Change-Agent“ und Bindeglied.

  1. OKR-Coach

Der OKR-Coach oder auch „Enabler“ ist die direkte Kontaktperson für die einzelnen Teams. Er:sie stellt sicher, dass der definierte OKR-Prozess in den Teams korrekt funktioniert. Der OKR-Coach ist nicht Teil des Teams. Diese Rolle kann auch durch einen Scrum-Master wahrgenommen werden.

  1. OKR-Promotoren

Jeder Veränderungsprozess braucht Vorreiter:innen, begeisterte „Treiber:innen“ der Veränderung und Unterstützung aus der Linie. Ganz wichtig an dieser Stelle: Ohne OKR- Promotoren aus dem C-Level wird es nicht gehen! Es kann auch hilfreich sein, OKR-Experten:innen aus anderen Unternehmen oder OKR-Berater:innen ins Unternehmen einzuladen um von deren Erfahrungen zu profitieren – und die Methode den eigenen Mitarbeiter:innen schmackhaft zu machen! Bewährt hat sich auch die zunächst auf einen oder mehrere Pilotbereiche beschränkte Einführung des OKR-Framework. Schwierigkeiten mit und Herausforderungen bei der Methode werden so erst im kleinen Kreis bewältigt – die große Masse kann von diesen insights profitieren. Und: die Pilotteams können erfolgreich als Promotoren und Multiplikatoren fungieren.

[#anchor6]OKR-Methode Beispiel[#anchor6]

Gute OKRs zuformulieren will geübt sein! Es empfiehlt sich, pro Objective zwei bis maximal vier Key Results zu definieren. Achtung: Objectives beschreiben den qualitativen Zielzustand, die Key Results machen das Ergebnis messbar. Key Results sind KEINE To-Do’s. Folgendes Beispiel aus Führungskraftperspektive verdeutlicht die Formulierung eines gelungenen OKR.

Objective: Wir haben im Team einen Teamrecruiting-Prozess etabliert, mit dem ALLE zufrieden sind.

KeyResult 1: Alle Bewerber:innen auf der Shortlist führen ein Vorstellungsgespräch mit dem Team von dem mind. ¾ dabei sind.

KeyResult 2: Wir stellen nur Bewerber:innen ein, bei denen es kein Veto gibt

KeyResult 3: Die durchschnittliche Prozessdauer von Bewerbung bis Entscheidung übersteigt in keinem Fall 4 Wochen.

Wenn du tiefer in die Formulierung guter OKRs eintauchen wollt, empfehlen wir euch den Blogbeitrag: Gute OKR-Beispiele für jede Abteilung

[#anchor7]Abgrenzung der OKR-Methode zu anderen Managementmethoden[#anchor7]

Unternehmer, Mitarbeiter:innen und Wissenschaft sind sich einig: es braucht Zielvereinbarungsmethoden wie z.B. KPI, MbO oder OKR, damit die Richtung und die strategischen Ziele des Unternehmens transparent sind und alle tatkräftig daran mitgestalten und arbeiten können. Welche Methoden angewendet werden, ist häufig auch eine Frage des Mindsets und der Kultur. Will ich „nur“ bestimmte Kennzahlen im Auge behalten (z.B. die Fluktuations- oder Krankheitsquote), dann arbeite ich mit KPIs (Key Performance Indicators). Bin ich top-down und auf operative Exzellenz ausgerichtet, verwende ich wahrscheinlich MbOs (Management by Objectives, also Führen mit Zielen). Verfolge ich jedoch Innovationen, Agilität und die Befähigung der Organisation und einzelner Teams, fällt meine Wahl eher auf OKR. Es ist kein entweder – oder: so sollte z.B. jedes Key Result möglichst einen KPI enthalten… Du willst mehr zu den unterschiedlichen Managementmethoden wissen? Dann lies unseren Blogbeitrag MbOvs OKR vs KPI – ist das nicht alles dasselbe?

[#anchor8]OKR-Methode einführen[#anchor8]

Wenn dein Unternehmen OKR einführen möchte, ist es wichtig, dass du dir darüber klar bist, dass du einen unternehmensweiten Veränderungsprozess einläutest. Du brauchst mindestens einen gut ausgebildeten OKR-Master und OKR-Coaches, die den Prozess treiben und unterstützen. Stelle dir auch die Frage, ob dein Unternehmen „reif“ genug für die Methode ist. Denn, ein erfolgloser Versuch, OKR einzuführen, „verbrennt“ die Methode für lange lange Zeit! Du willst wissen, wie die Einführung gelingt? Dann lies unseren Beitrag OKR einführen.

Wie du deine Unternehmensplanung langfristig umsetzt und für deine Mitarbeiter:innen sichtbar machst, erfährst du im Whitepaper „Strategieumsetzung – Mit OKR Transparenz und Alignment schaffen."

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Michael Späth
Michael Späth ist als Intrapreneur zuständig für die Einführung und den Markterfolg von New Work Produkten bei Haufe. Mit seinem Hintergrund in Human Resources, Coaching und Lean Management unterstützt er agile Organisationen mit der idealen Software auszustatten, um die Zusammenarbeit nachhaltig zu stärken. Im Team arbeitet er nach Scrum und mit dem OKR-Framework und lotet dabei gerne die Grenzen der Systeme aus.